Neue BAR-Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining zum 1. Januar 2022
Neuregelungen für Herzgruppen – Flexibilisierung der Ärztepräsenz deutliche Zäsur in der über 50-jährigen Geschichte der Herzgruppen. Neu: Herzinsuffizienzgruppen
Die kontrollierte und überwachte Bewegungstherapie ist ein anerkannter und wesentlicher Teil der Therapieempfehlungen bei Herz-Kreislauferkrankungen, die Mitte des vergangenen Jahrhunderts mit der Maxime „Bewegung statt Schonung“ einen radikalen Wandel erfuhren. Zur Langzeitsicherung der Therapieerfolge im Akutkrankenhaus und der Rehabilitationsklinik begann Mitte der 1960-er Jahre der Aufbau der Herzgruppen in Deutschland, in denen chronisch Herzkranke im Sinne einer lebenslangen und wohnortnahen Rehabilitation (Phase III) am Heimatort weiterbetreut werden. Nach Gründung der ersten Gruppen 1965 verzeichneten vor allem die 1980-er und 1990-er Jahre eine überproportionale Zunahme. Heute werden in Deutschland in rund 9.000 Herzgruppen etwa 180.000 Patienten von qualifizierten Übungsleitenden und Ärzten betreut und angeleitet.
Rehabilitationssport, so auch in Herzgruppen, und Funktionstraining sind „ergänzende Leistungen zur Rehabilitation“ nach § 64 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB IX. Zur Sicherstellung einer einheitlichen Leistungserbringung dient die zwischen den Verbänden der Rehabilitationsträger und den maßgeblichen Verbänden auf der Ebene der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) geschlossene „Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining“. Nun haben die Vereinbarungspartner die Rahmenvereinbarung in einem längeren Beratungsprozess entsprechend den neuesten Entwicklungen und Anforderungen in einer Arbeitsgruppe fortgeschrieben und konsentiert. Nach der finalen Verabschiedung ist die neue Rahmenvereinbarung zum 1. Januar 2022 in Kraft getreten und ersetzt die alte Rahmenvereinbarung vom 1. Januar 2011.
Ständige ärztliche Anwesenheit künftig nicht mehr erforderlich
Der Ärztemangel, insbesondere in den ländlichen Regionen, hat sich in den letzten Jahren verschärft. Neben den Auswirkungen auf die ärztliche Grund- und Regelversorgung sind davon zwangsläufig auch die Herzgruppen zunehmend betroffen. Beim Überarbeitungsprozess der Rahmenvereinbarung wurden deshalb die Voraussetzungen für die alternative Durchführung von Herzgruppen, ohne die bisher verpflichtende ständige ärztliche Anwesenheit, definiert. Grundlage dieser Beratungen waren das „Herzsportkonzept des Deutschen Behindertensportverbandes“ (DBS) und das „Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR) zur ärztlichen Betreuung von ambulanten Herzgruppen“.
Ein zentraler Punkt der Neuregelungen ist die mögliche Flexibilisierung der ständigen Ärztepräsenz. Abweichend und zusätzlich zur bisherigen Regelung kann der Rehabilitationssport in Herzgruppen (nicht in Herzinsuffizienzgruppen) dann auch ohne die ständige persönliche ärztliche Anwesenheit durchgeführt werden. In diesen Fällen muss der/die Herzgruppenarzt/-ärztin die Herzgruppe jedoch mindestens alle sechs Wochen persönlich visitieren. Die Absicherung in Notfallsituationen kann (wie bisher) durch die ständige Anwesenheit des/der Herzgruppenarztes/-ärztin oder (neu) durch die ständige Anwesenheit von Rettungskräften oder die ständige Bereitschaft des/der Herzgruppenarztes/-ärztin oder von Rettungskräften erfolgen. Die für die Notfallabsicherung erforderlichen Qualifikationen, Abläufe und Zeitfenster wurden in der Rahmenvereinbarung ebenfalls konkretisiert.
„Bewährtes HG-Modell“ weiterhin möglich, Leistungsumfang und -dauer unverändert
Die künftig mögliche Flexibilisierung der Ärztepräsenz stellt ohne Zweifel eine deutliche Zäsur in der über 50-jährigen Geschichte der Herzgruppen dar. Die jahrzehntelang bewährte und von den Herzgruppenteilnehmenden gewohnte, ständige persönliche Anwesenheit des/der Herzgruppenarztes/-ärztin als wichtige Bezugsperson mit Aufgaben, die weit über das Notfallmanagement hinausgehen, wird mit den Neuregelungen aber nicht grundsätzlich in Abrede gestellt. Es kann und sollte dort, wo möglich, selbstverständlich weiterhin fortgeführt werden. Die vorbeschriebene Möglichkeit der flexiblen Anwesenheit wendet sich in erster Linie an Vereine und Träger, deren Herzgruppen aufgrund eines drohenden oder bereits existierenden Ärztemangels zum Nachteil aller Herzgruppen-Teilnehmer von der Schließung bedroht wären. Leistungsumfang und -dauer sowie Teilnehmerzahl für Herzgruppen und Kinderherzgruppen bleiben im Übrigen unverändert (90 Übungseinheiten in 24 Monaten bei Erstverordnungen oder wiederholter abgeschlossener Akutbehandlung, bei Folgeverordnungen 45 Übungseinheiten in zwölf Monaten; maximal 20 Teilnehmer in Herzgruppen, zehn Teilnehmer in Kinderherzgruppen). Dagegen wurde die Indikationsliste für die Verordnung des Rehabilitationssportes in Herzgruppen auf Initiative der DGPR deutlich erweitert und konkretisiert. Neu aufgenommen in die Rahmenvereinbarung wurden auch die bereits seit 2017 erlaubte Betreuung von maximal drei parallel stattfindenden Herzgruppen in räumlicher Nähe (z. B. in Dreifach-Sporthallen) und die ebenfalls bereits abrechenbaren Gesundheitsbildungsmaßnahmen. Hinsichtlich der Abrechnung sollen die Herzgruppen ohne ständige Arztanwesenheit den bisherigen Gruppen gleichgestellt bleiben.
Neu in der Rahmenvereinbarung: Herzinsuffizienzgruppen
Für Patienten mit hohem kardiovaskulärem Ereignisrisiko, vornehmlich schwer herzinsuffiziente Patienten, die für eine normale Herzgruppe bisher nicht hoch genug belastbar waren und dort nicht aufgenommen werden konnten, wurden die von der DGPR konzipierten Herzinsuffizienzgruppen (HIG) neu in die aktuelle BAR-Rahmenvereinbarung aufgenommen. In diesen betreuungsintensiveren, kleineren Gruppen (max. 12 Teilnehmende) ist die ständige ärztliche Anwesenheit zwingend erforderlich. Im Gegensatz zu den Herzgruppen ist hier das dynamische Kraftausdauertraining an Krafttrainingsgeräten erlaubt.
Nachdem DBS und DGPR am 19. April 2021 einen gemeinsamen Antrag auf vorzeitiges In-Kraft-Treten der Neuregelungen in Herzgruppen an die Vereinbarungspartner gestellt hatten, war dieser von den gesetzlichen Krankenkassen ab Einleitung des Zustimmungsverfahrens (zum 30. Juli) genehmigt worden. Zum 1. Januar 2022 ist die neue Rahmenvereinbarung in Ihrer Gesamtversion in Kraft getreten.
DGPR (P. Ritter, B. Schwaab, G. Thome)
Download: Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining vom 01.01.2022
Fotonachweis: DGPR